BaumwolleWir lieben sie, andere pflücken sie

Die Geschichte des Baumwollstoffes ist über achttausend Jahre alt, wie archäologische Funde zeigen. Erst mit der Kolonialzeit und der Industrialisierung entwickelte sich die Baumwollfaser zu einem Produkt, das den Weltmarkt beeinflusste und Niedriglöhne, unwürdige Arbeitsbedingungen und Umweltverschmutzung förderte.

Trotz der Einführung synthetischer Stoffe gehört Baumwolle bis heute zu den wichtigsten Rohstoffen weltweit mit circa 40 Prozent Weltmarktanteil im Bereich Textilien. Dies ist nicht weiter verwunderlich, denn das Endprodukt fühlt sich gut auf der Haut an, ist atmungsaktiv und wärmt. Baumwolle kommt überall im Alltag vor, nicht nur als angenehme Oberbekleidung, sondern auch als feine Unterwäsche, robuste Accessoires und Wohntextilien. Rund 75 Prozent davon werden für Mode und Bekleidung verarbeitet. Baumwolle wächst in tropischen sowie subtropischen Gebieten und ist der einzige Rohstoff für Naturtextilien, den die Landwirtschaft im großen Stil anbaut.

Die wichtigsten Anbauländer im globalen Vergleich sind China und Indien. Brasilien, Pakistan, Australien, die Türkei und Usbekistan folgen. Bei den weiterverarbeitenden Ländern und Exporteuren von Baumwolltextilien sieht das Ranking etwas anders aus: Hier sind die wichtigsten Länder China, Türkei, Pakistan, Vietnam, Mexiko, Bangladesch, Indien, Indonesien und Peru.

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Baumwolle und die Folgen ihrer Gewinnung

Baumwolle stellt große Ansprüche: Ein Kilo konventionelle Baumwolle verbraucht im Durchschnitt ungefähr 10.000 Liter Wasser, die Zahlen variieren je nach Quelle und Anbauland. Sie zählt damit zu den besonders wasserintensiven Pflanzen. Derart durstig ist die Baumwolle in der Wachstumsphase, während in der darauffolgenden Reifephase zu viel Nässe schadet. Wie hoch die Ernte ausfällt, hängt also stark von der Witterung ab. Das hat teilweise zur Folge, dass Länder und Firmen Baumwollplantagen in trockenen Gebieten anlegen und stark künstlich bewässern. Was diese Form des schlechten Wassermanagements zusammen mit anderen Maßnahmen bewirken kann, zeigt der Aralsee in Usbekistan. Vor hundert Jahren baute man ein riesiges Bewässerungssystem, das Seewasser zu den Plantagen brachte. Über die Jahrzehnte zurückgeblieben sind heute ausgedörrtes Land und ein ausgetrockneter See.

Ein großer Teil der weltweit verwendeten Insektizide, Pestizide und chemischen Dünger kommt auf Baumwollfeldern zum Einsatz. Mit der Zeit bilden sich Resistenzen und sie wirken nicht mehr, weshalb giftigere chemische Hilfsmittel nötig sind. Dieser Teufelskreis vergiftet Mensch und Umwelt, verursacht Treibhausgase und den Rückgang von Nützlingen. Baumwolle wird zudem großflächig in Monokulturen angebaut.

Genmanipulation soll die Baumwollpflanze robuster machen und dabei helfen, ihre natürlichen Limitierungen zu überwinden. In den USA sind circa 90 Prozent der Anbaufläche genetisch modifiziert. Neben der ethischen Diskussion darüber, ob der Mensch derart in die Natur eingreifen darf, bemängeln kritische Stimmen negative Umwelteinflüsse. Darunter fällt die Evolution von Schädlingen, die resistenter gegenüber Giftstoffen werden. Das teure, einjährige Saatgut, die hierauf abgestimmten, erforderlichen Düngemittel, sowie der um ein dreifaches höhere Wasserbedarf der Pflanze hat drastische Folgen: Aufgrund der enormen Überschuldung steigt die Selbstmordrate verzweifelter indischer Baumwollbauern seit Jahren.

Zu den Anbauländern von Baumwolle zählen Länder wie Bangladesch, Indien oder etwa Pakistan mit geringen Arbeitsrechten und niedrigen Lohnniveaus. Da die Aussaat arbeitsintensiv ist, versuchen Herstellerunternehmen an Kosten für die Arbeitskraft auf dem Feld zu sparen. Die Lebensbedingungen der Arbeiterinnen und Arbeiter sind unwürdig, sie leben in Baracken am Feldrand oder in Massenunterkünften auf der Farm. An zehnstündigen Arbeitstagen verrichten sie körperliche Schwerstarbeit in der Sonne. Bei Ungehorsam bekommen sie keinen Lohn oder werden sogar geschlagen. Oft findet Kinderarbeit auf solchen Baumwollfeldern statt, da Kinder ausdauernd sind, sich fügen und weniger Lohn erhalten als Erwachsene. Viele ansässige Bäuerinnen und Bauern verlieren ihr Land an große internationale Unternehmen, da sie finanziellen oder politischen Druck ausüben. Landgrabbing, also Landraub, kann zu Abhängigkeiten, Menschenrechtsverletzungen und Landnutzungskonflikten führen.

Fairness und Bioanbau machen den Unterschied

Was Baumwolle betrifft, unterscheiden sich afrikanische Länder von anderen vor allem darin, dass hauptsächlich Kleinbäuerinnen und -bauern die Pflanze anbauen. Statt riesiger Baumwollplantagen in Monokultur setzen die Menschen in Afrika auf die Fruchtfolge, sie wechseln also zwischen dem Anbau von Baumwolle und beispielsweise Grundnahrungsmitteln. Die Fruchtfolge ist deutlich gesünder für den Boden als Monokulturen.

Aus Afrika kommt im globalen Vergleich noch sehr wenige zertifizierte Bio-Baumwolle.

Dass es aber geht zeigen die Anbauprojekte für Biobaumwolle, die Roland Stelzer, Geschäftsführer der Biobaumwollmarke Cotonea, in Uganda sowie Kirgistan mitaufgebaut hat:

„Im ugandischen Projekt mit Biozertifizierung arbeiten heute 15.000 Menschen (Stand: 2022). Das dortige Schulungskonzept sieht vor, dass leitende Farmerinnen und Farmer vor Ort Schulungen erhalten, damit sie ihr Wissen wiederum an ihre Teams weitergeben können. Generell ist die Ausbildung sehr arbeits- und zeitaufwändig, aber auch effektiv: Zu Beginn erzeugen die selbständig Arbeitenden nicht mehr als 180 Kilogramm Baumwollfasern auf weniger als einem Hektar Anbaufläche. Das reicht nicht zum Überleben. Nach drei bis vier Jahren Erfahrung inklusive vielen Schulungseinheiten erhöht sich der Ertrag auf 680 kg pro ha bei insgesamt mehr als 1,5 Hektar Anbaufläche. Das ist fast das Zehnfache. Damit erzielen die Menschen ein überdurchschnittliches Einkommen. Mit unserer Projektarbeit können wir politische und globale Zustände nicht ändern, aber wir können zeigen, dass eine menschen- und umweltfreundliche Wirtschaftsweise möglich ist.“

Roland Stelzer, Geschäftsführer der Biobaumwollmarke Cotonea

Monokultur heißt, dass über Jahre hinweg dieselbe Frucht auf dem Boden wächst, der somit immer mehr Nährstoffe verliert und ausgelaugt wird.

Kontrolliert biologischen Anbau

Wie alle Naturprodukte schadet Baumwolle nicht per se der Umwelt. Es ist der Umgang mit ihr, der Probleme verursacht. Ein Gegengewicht bildet die ökologische Landwirtschaft. Sie verbraucht weniger Wasser, setzt auf eine natürliche Fruchtfolge statt auf Monokultur, verbietet Genmanipulation und chemische Pflanzenschutzmittel. Begriffe wie „bio“, „öko“ oder „organic“ sind allerdings bei Textilien nicht geschützt. Stattdessen greift die Bezeichnung kbA, die für kontrolliert biologischen Anbau steht. Insgesamt soll der Anteil an biologisch bestelltem Ackerland 1,5 Prozent des weltweiten Ackerlands ausmachen – mit steigender Tendenz.

Wer Baumwollprodukte bewusster einkaufen möchte, kann nach Zertifikaten schauen. Zu den konsequentesten Standardgebern für Textilien gehören der Global Organic Textile Standard (GOTS), der IVN Best vom Internationalen Verband für Naturtextilien, Fairtrade und Fair for Life. Der Grüne Knopf ist das erste staatliche Siegel und soll die Einhaltung grundlegender Standards bei der Weiterverarbeitung attraktiver machen. Aber auch ohne Zertifizierung kann ein Modelabel nachhaltig arbeiten. Es lohnt sich, genauer nachzuschauen, die Arbeitsweisen des Labels zu recherchieren oder direkt dort nachzufragen.

Die niedrigen Preise von Fast Fashion sind nur möglich, weil das Konzept auf billige Arbeitskraft ausgelegt ist. Leider heißt das umgekehrt nicht, dass ein teures Kleidungsstück garantiert unter fairen Bedingungen hergestellt wurde. Der Fashion Checker der Clean Clothes Campaign zeigt auf www.fashionchecker.org große Marken und bewertet deren Herstellungsweisen in Bezug auf soziale Aspekte bei der Produktion.

Zur Website des Fashion Checker

Schon gewusst?

  • Die Baumwollpflanze stammt ursprünglich aus den regenreichen und warmen Tropen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Vor über 7.000 Jahren wurde sie schon bei den Mayas in Mexiko und den Inkas in Peru angebaut.
  • Für den Baumwollanbau wird bei konventioneller Produktion extrem viel Wasser benötigt: Der Baumwollanbau für ein einziges T-Shirt verbraucht bis zu 2.000 Liter Wasser – das entspricht der Menge von 10 Badewannen. Rund die Hälfte aller weltweit bewässerten Flächen sind Baumwollfelder.