LederVon der Weide in den Einkaufswagen – auf den Spuren unserer Lederwaren

Während bereits Gletschermumie Ötzi mit Lederschuhen durch die Berge streifte, war das Glück eines festen Schuhwerkes früher nicht allen Menschen vergönnt. Denn das Herstellen von Lederprodukten war ein langwieriger Prozess. Nachdem die Römer Leder zur „Massenware“ für militärische Ausrüstung genutzt und somit die Produktion vereinfacht hatten, brachten im Mittelalter Entdecker wie Marco Polo ihre Beobachtungen aus der Lederverarbeitung ferner Länder mit.

Die Entwicklung hin zum modernen Massenprodukt: Chromgerbung

Die Entdeckung des chromsalzbasierten Gerbverfahrens 1858 beschleunigte die Produktion um ein Vielfaches und machte die Industrialisierung der Branche möglich. Dank des neuen chemischen Prozesses dauerte das Gerben nur noch wenige Stunden – bei verbesserter Haptik und Haltbarkeit des Leders.

Noch heute durchlaufen rund 80 Prozent aller Lederprodukte eine Chromgerbung. Diese hat Folgen für Umwelt und Menschen. Doch wie sieht er eigentlich aus, der Weg vom Tier zum fertigen Schuh?

Woher kommen Tierhäute für Leder?

Tiere werden – meist in konventioneller Massentierhaltung – gezüchtet und dann zu Schlachthöfen transportiert. In vielen Ländern gibt es keine Tierschutzstandards für die Schlachtung oder sie werden nicht eingehalten. Nach der Schlachtung werden die Tiere gehäutet. Die vorbehandelten Rohhäute werden dann zu den Gerbereien transportiert. Leder ist übrigens nicht generell ein Abfallprodukt der Fleischindustrie: Schätzungsweise 40 Prozent der geschlachteten Tiere sind für die Lederindustrie bestimmt.

In Europa erfolgt die Chromgerbung unter Einhaltung strenger Richtlinien. Abwässer und Reststoffe werden aus Gesundheits- und Umweltschutzgründen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen, wiederaufbereitet.

Weil Leder jedoch meist in Ländern des Globalen Südens produziert wird, nutzen europäische Richtlinien dort wenig. In Deutschland stellten 2017 nur noch zwölf Unternehmen Leder her, eine verschwindend geringe Menge. Lederkleidung wird zu 99 Prozent aus dem Ausland nach Deutschland importiert. Die führenden Länder in der Lederproduktion weltweit sind China, USA, Brasilien und Indien.

Die Chromgerbung selbst dauert weniger als einen Tag und bringt ein elastisches Leder hervor. Vom biologisch abbaubaren Naturprodukt bleibt nach der Veredelung mit Lacken und Fetten aber kaum noch etwas übrig.

Die Verarbeitung einer Tonne Tierhaut verbraucht bis zu 80.000 Liter Wasser. Nicht richtig entsorgt, wird aus diesem Wasser ein giftiger Cocktail für das Grundwasser. Allein in Bangladesch bringen Gerbereien täglich 22.000 Liter giftige Abfälle in die Gewässer ein. Die gleichen Gewässer, in denen Menschen baden, in denen Wäsche gewaschen und aus denen Wasser zum Kochen geholt wird.

Hazaribag, Vorort der Hauptstadt Dhaka in Bangladesch, zählt aufgrund der Industrieabfälle der Gerbereien zu einem der zehn giftigsten Orte weltweit.

Kontakt Außenstelle Stuttgart

Haben Sie Fragen? Wir stehen Ihnen beratend zur Seite.

Anschrift: Olgastraße 53,  70182 Stuttgart
Ansprechperson: Gabriele Winkler
Telefon: +49 71 112 040 60


E-Mail schreiben
Kontaktformular

Wen trifft die Lederproduktion am härtesten?

Anhaltende Missstände in den Gerbereien betreffen nachweislich nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder. 90 Prozent der Belegschaft in Gerbereien in Ländern des Globalen Südens hat laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Lebenserwartung von weniger als 50 Jahren. Ein Viertel der Arbeitskräfte in Bangladeschs Gerbereien ist jünger als elf Jahre. Sie alle erhalten einen Lohn, der etwa ein halbes Prozent des Preises beträgt, den wir letztlich für einen Schuh bezahlen.

Andernorts sieht es nicht besser aus: Brasilianische Gerbereien waren vermutlich direkt oder indirekt an den Waldbränden im Amazonasgebiet 2021 beteiligt. Im Einzugsgebiet von sechs der zehn größten brasilianischen Gerbereien gab es laut Deutscher Umwelthilfe mehr als 170.000 Brände. Die Vermutung liegt nahe, dass illegale Brandrodungen in Rinderbezugsgebieten für neue landwirtschaftliche Flächen sorgen sollten.

Meine Geschichte

Hazaribag, Bangladesch: Hier sitzen hunderte Gerbereien, die jährlich circa 14 Millionen Tierhäute verarbeiten. Mitten unter den 25.000 Arbeitenden erzählt ein 8-jähriger Junge von seiner Arbeit und dem Leben im Vorort. Seine Geschichte steht stellvertretend für viele Kinder:

„Heute habe ich 110 Taka verdient. Das ist etwas mehr als ein Euro. Dafür muss ich den ganzen Tag in der Fabrik sein. Ich bin für das Auspacken der Fässer zuständig, das ist Männerarbeit. Meine Schwester macht Schuhe und Fußbälle. Sie malt das Muster, das dann ausgeschnitten und zusammengenäht wird. Nach der Arbeit muss ich meiner Mutter helfen, die Wäsche zu waschen und auf meine Geschwister aufzupassen. Sie muss auch in die Fabrik, aber heute erst nachts. Es gibt zwei Schichten. Die Wäsche waschen wir ganz in der Nähe meiner Fabrik. Überall riecht es nach der Arbeit. Es riecht wie ganz viel stinkendes Pipi und altes Fleisch. Aber ich habe mich daran gewöhnt. Mein Freund hat letzte Woche so viel Leder getragen, dass er jetzt nicht mehr arbeiten kann. Seine Hände tun ihm weh und sie sind entzündet. Seine Mama weiß jetzt nicht mehr, wie sie die Familie ernähren soll. Ihr Lohn aus der Textilfabrik reicht nicht aus. Auf dem Weg zum Fluss treffe ich ihn. Wir müssen aufpassen und über die Bäche springen. Sie haben schöne Farben. Aber reintreten dürfen wir nicht. Das ist giftig. Wir spielen ein Spiel: Es gewinnt, wer bis zur Waschstelle nicht reingetreten ist."

In der Gerberei atmen die Menschen jeden Tag giftige Dämpfe ein, nur wenige Gerbereien verfügen über ein Ventilationssystem. Die Arbeitenden leiden häufig unter Lungenkrankheiten.

Eine Behandlung im Krankenhaus können die Familien nicht bezahlen. Zudem ist das Wasser vielfach mit Bakterien oder Chemikalien aus der Textilindustrie verunreinigt.

Kinder, die in Hazaribag wohnen und die schwere Arbeit überleben, haben kaum Freizeit oder gar Bildungsmöglichkeiten, um in Zukunft ein besseres Leben führen zu können. In Bangladesch müssen Kinder theoretisch fünf Jahre eine Schule besuchen, die nichts kostet. Doch viele Kinder verlassen die Schule ohne Abschluss, um zu arbeiten. Vor allem Mädchen besuchen meist keine Schule und noch immer kann jeder zweite erwachsene Mensch in Bangladesch nicht lesen.

Nachhaltiges Leder aus Olivengerbung

Eine Alternative zur Chromgerbung stellt die sogenannte natürliche Gerbung dar. Nur circa 20 Prozent des Leders wird so gegerbt, weil der Prozess bis heute aufwändig und ebenfalls wasserintensiv ist. Die natürliche Gerbung wird oft auch vegetabile Gerbung genannt, weil sie verschiedene pflanzliche Stoffe als Gerbmittel nutzt – wie damals die Römer. Die Methode ist für die Menschen in den Gerbereien weitaus weniger schädlich.

Die Olivengerbung beispielsweise nutzt Olivenblätter, die zu einer Art Tee aufgebrüht werden. Konzentriert funktioniert dieser als pflanzlicher Gerbstoff für die Tierhäute. Gut für die Umwelt ist, dass die Olivenblätter dann noch einen Nutzen haben. Außerdem enthält das Abwasser des Gerbprozesses keine giftigen Chemikalien, die die Natur belasten würden.

Das so gegerbte Leder ist kreislauffähig, am Ende seiner Nutzung biologisch abbaubar oder kann unbedenklich weiterverwertet werden.

Vegane Lederalternativen

Rhabarber- oder Olivenleder sind keine veganen Produkte, die Namen beschreiben vor allem die Gerbmittel oder den Gerbprozess. Pflanzliche Lederalternativen wie Ananasleder, Wein- oder Apfelleder werden meist aus Abfallprodukten produziert: Ananasblätter, Apfelreste aus der Saftpressung oder Weintraubenkerne. Bei diesen Materialien fungiert Kunststoff teilweise noch als Trägermaterial, vollständig pflanzliche Leder sind aber schon zu finden. Dazu mehr in „Was kleidet uns in Zukunft?“

Zu den Zukunftsmaterialien

„Veganes Leder“ hat nicht unbedingt eine pflanzliche Basis, das Material kann sogar zu 100 Prozent aus Kunststoff sein. Genau hinschauen lohnt sich also.

Ob konventionelles Leder, pflanzliche Gerbung von tierischen Häuten oder vegane Alternativen: Um die Produkte nach sozial-ökologischen Kriterien zu beurteilen, ist eine transparente Lieferkette unerlässlich.

Schon gewusst?

  • Ein Paar Lederschuhe verbraucht schätzungsweise bis zu 25.000 Liter Wasser und 50 Quadratmeter Land.
  • Recycelt werden nur 5 Prozent der in Europa weggeworfenen Schuhe, die meisten landen auf dem Müll und können bei der Verbrennung giftige Gase freisetzen.
  • Mit Chrom gegerbte Lederschuhe gehören auf den Sondermüll: Bei der Verbrennung des Restmülls oxidiert das Chrom zu einer krebserregenden Variante.
  • Nicht alle Tierhäute werden zu Leder verarbeitet. Um das Restmaterial nicht entsorgen zu müssen, beliefern einige Pionierbetriebe Biogasanlagen oder die Lebensmittelindustrie, die daraus Gelatine herstellt.
  • 75 Prozent der in Deutschland produzierten Leder wird für Autoinnenausstattung verwendet.
  • Wertschätzung des Makels: Die Tierhaltung spielt für nachhaltiges Leder eine entscheidende Rolle. Auf Leder aus Bio-Tierhaltung finden sich oft Kampfspuren oder Spuren von Verletzungen am Zaun. Weil makellose Produkte mehr Absatz finden, hat sich Leder aus Bio-Tierhaltung bisher nicht durchgesetzt.