LeinenDie Wiederentdeckung von Leinen: Öko-Faser erobert die Laufstege

Die Geschichte der Naturfaser Leinen geht weit zurück: Schon die alten Mumien Ägyptens wurden in Leinentüchern begraben. Das Textil aus der Flachspflanze wirkt antibakteriell, fusselt nicht, ist robust, hypoallergen und atmungsaktiv und kühlt im Sommer.

Im Mittelalter galt die auch als Gemeiner Lein oder Faserlein bekannte Pflanze als wichtige Einnahmequelle für Handelszentren wie Venedig, Brügge und die deutsche Hanse. Das änderte sich erst mit dem Erstarken der Baumwollproduktion Ende des 18. Jahrhunderts und der Entwicklung synthetischer Fasern ab 1935. Nach dem zweiten Weltkrieg kam in Westdeutschland der Flachsanbau fast vollständig zum Erliegen. Sowohl die DDR, als auch viele Staaten der ehemaligen Sowjetunion setzten jedoch weiterhin auf Leinen. Lediglich als Nischenprodukt behauptete sich der Faserleinanbau zum Beispiel für Brüsseler Spitze.

Raufen, rösten, hecheln – die Verarbeitung von Leinen

Der Name „Faserlein“ wird oft gleichbedeutend mit „Flachs“ verwendet. Doch zwischen den verwandten Gewächsen bestehen kleine, aber feine Unterschiede. Die für Öle genutzte Flachspflanze ist eher kleinwüchsig.

Der Faserlein, also der Rohstoff für Leinentextil, erreicht eine Höhe von bis zu eineinhalb Metern. Die Entwicklung vom Samenkorn bis zur ausgewachsenen Pflanze mit himmelblauen Blüten dauert nur rund 100 Tage. Bei der Ernte wird die Pflanze an der Wurzel gepackt und aus dem Boden „gerauft“. Das passiert heute mit Raufmaschinen. Bis zu 75 Prozent der Pflanzenfasern eignen sich für die Weiterverarbeitung, für Kosmetik oder als Samen-Superfood, selbst Pflanzenreste eignen sich für Pressspan oder Bremsbeläge. Für hochwertige Textilien sind vor allem die Langfasern des Faserleins nötig.

Der natürliche Verarbeitungsprozess nennt sich auch „Röstung“ und erfolgt im Wasser, wo Bakterien und Pilze die inneren Faserbündel vom äußeren Gewebe lösen. Alternativ bleibt die Ernte auf dem Feld liegen, wo Regen und Tau für die Zersetzung sorgen. Mittlerweile gibt es auch chemische und biochemische Verfahren, die aber teuer sind und zu Qualitätsverlusten führen können.

In der Textilherstellung durchlaufen die Langfasern nach der Röstung einen Reinigungsprozess, der sich „Hecheln“ nennt und dem Kämmen von Haaren ähnelt. Darauf folgt das Spinnen zu Flachsgarn, aus dem dann Leinenstoffe gefertigt werden.

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Leinenkleidung – sparsam, aber arbeitsintensiv

Flachs kann auf nährstoffarmen Böden wachsen. Im Gegensatz zu anderen Pflanzen braucht er keinen Stickstoffdünger, der oft negative Auswirkungen auf das Leben von Insekten hat. Der ökologische Flachsanbau kann außerdem fast vollständig auf künstlichen Phosphordünger verzichten (dieser wird neben Stickstoff häufig verwendet). Das ist ein großer Vorteil, da der für alle Lebewesen wichtige Nährstoff Phosphor weltweit knapp ist. Die Produktion von Leinenstoff verbraucht nur ein Viertel der Wassermenge, die bei der Herstellung konventioneller Baumwolle anfällt. Zu den positiven Eigenschaften zählt auch, dass die Pflanze in vielen Regionen wachsen kann – von Europa bis Fernost. Der potenziell regionale Anbau spart durch kürzere Transportwege CO2-Emissionen ein. Als CO2-Senke nimmt Flachs pro Jahr zudem 3,7 Tonnen CO2 auf einem Hektar Anbaufläche auf.

In puncto Nachhaltigkeit spielen das Herkunftsland und Standards eine entscheidende Rolle. Bio-zertifizierte Leinenhersteller reduzieren Umweltbelastungen beim Anbau und beim Färben und vermeiden gesundheitsschädliche Chemikalien in der Weiterverarbeitung.

Sozialstandards, die sich an den Kernarbeitsnormen der International Labour Organisation (ILO) orientieren, überprüfen deren Einhaltung vor Ort und verbieten Kinderarbeit oder gar Zwangs- und Sklavenarbeit.

Da aber Anbau und Verarbeitung viel Arbeit bedeuten, der Rohstoff hauptsächlich für Sommerkleidung verwendet wird und die Knitterneigung der Kleidung polarisiert, machen Leinentextilien nur zwei Prozent des weltweiten Textilmarktes aus. Der Großteil der Pflanzen wird in China, Frankreich, Russland und Belarus konventionell angebaut und ohne Nachhaltigkeitsstandards verarbeitet. Dabei kommen auch Herbizide und Insektizide zum Einsatz, wenn auch weniger als beim Baumwollanbau.

Da Leinen leicht knittert, verwendet die Haute-Couture Chemikalien zur Glättung. Um Leinstoff zu färben, muss der Hersteller das Textil vorher bleichen und beschleunigt den Prozess oft mit Chemikalien. Wenn sie ins Abwasser gelangen, schaden sie der Umwelt und verseuchen Trinkwasser.

Leinen als Textil der Zukunft?

Da aber sogar der konventionelle Flachsanbau viel weniger Ressourcen verbraucht als andere herkömmlich erzeugte Rohstoffe, liegt die Frage nahe, wie sich die Arbeitsschritte vereinfachen lassen, damit Leinen zum massentauglichen Textil werden kann.

Gerade für Regionen im Globalen Süden mit nährstoffarmen oder überdüngten Böden könnte Leinenanbau eine wirtschaftliche Perspektive darstellen. Da beim Anbau der genügsamen und robusten Pflanze wesentlich weniger Herbizide und Insektizide zum Einsatz kommen, würden sich die Arbeitsbedingungen für die im Leinenanbau tätigen Menschen zudem ändern. Die mögliche Verwendung nahezu aller Faserbestandteile zur Herstellung weiterer Produkte wie Öl, Papier oder Linoleum stellt zudem eine weitere Einkommensquelle dar.

Fest steht: Mit der wachsenden Nachfrage nach Green Fashion steigt auch die Bedeutung der Naturfaser.

Green Fashion oder auch Grüne Mode ist ein Teil der nachhaltigen Modebewegung, die soziale und ökologische Aspekte in Anbau, Produktion und Konsum von Bekleidung berücksichtigt.

Schon gewusst?

  • Der Begriff „Lingerie“ stammt vom französischem Wort „lin“ für Leinen, da die Unterwäsche meist aus der Flachspflanze hergestellt wurde. Grund war, dass das Textil sich auch bei sehr heißen Temperaturen waschen lässt.
  • Bei der Wasserröste riecht Flachs nach Buttersäure und Schwefelwasserstoff und färbt das umgebende Röstwasser gelb. Bis in die 20er Jahre nutzte man dafür in Belgien das Wasser im Fluss Lys, was ihm die liebevolle Bezeichnung als der „Goldene Fluss“ bescherte.