PolyesterEin echter Alleskönner?

Über 113 Millionen Tonnen Fasern: So viel produzierte die weltweite Textilindustrie 2021. Etwa 70 Prozent davon zählten zu den synthetischen Chemiefasern, die auf Erdöl basieren.

Herstellung und Eigenschaften

Polyester etwa wird in der Regel aus Polyethylenterephthalat (PET) hergestellt. Das ist das gleiche Material, aus dem auch Plastikflaschen und viele andere Plastikprodukte produziert werden. Indem Kunststoff-Granulat eingeschmolzen und in Stränge gepresst wird, entstehen fast endlos lange, feine Fasern. Aus diesen Fasern kann dann Kleidung gefertigt werden.

Die ersten vollständig synthetischen Fasern waren Anfang des 20. Jahrhunderts verfügbar. 1940 wurde Nylon massenfähig, im Jahr darauf wurde Polyester patentiert. Der Aufstieg erfolgte von da an rasant. 1975 machten synthetische Chemiefasern ein Drittel der gesamten weltweiten Faserproduktion aus, 2021 waren es schon über zwei Drittel. Polyester ist dabei Spitzenreiter: Schon heute steckt diese Kunstfaser in mehr als der Hälfte aller Textilien.

Der Erfolg liegt zum einen an den positiven Eigenschaften, denn Polyesterfasern sind vielseitig verwendbar. Polyester ist relativ stabil, knitterarm, weich, fällt schön und trocknet nach dem Waschen sehr schnell. Darum wird es in vielen, sehr unterschiedlichen Kleidungsstücken verwendet. Für Schwimm- und Sportkleidung beispielsweise ist es sehr nützlich, dass Polyester schnell trocknet. Auch wetterfeste Outdoor-Kleidung macht sich die Eigenschaften des Materials zu nutze.

Kontakt Außenstelle Stuttgart

Haben Sie Fragen? Wir stehen Ihnen beratend zur Seite.

Anschrift: Olgastraße 53,  70182 Stuttgart
Ansprechperson: Gabriele Winkler
Telefon: +49 71 112 040 60


E-Mail schreiben
Kontaktformular

Wegbereiter für Fast Fashion

Zudem findet sich Polyester in vielen Kleidungsstücken unseres Alltags wie T-Shirts, Blusen, Hosen, Röcken, Kleidern und vielen mehr. Der andere große Vorteil von Polyester ist nämlich, dass es im Vergleich zu anderen gängigen Materialien relativ billig ist. Diese Kombination veranlasst viele Marken, auf Polyester zu setzen.

Im Vergleich zu vor rund 20 Jahren hat sich die Menge der weltweiten Textilproduktion insgesamt verdoppelt, 2014 überschritt sie erstmals die Schwelle von 100 Milliarden Kleidungsstücken jährlich. Zwischen 2008 und 2018 verdoppelte sich auch die Erzeugung synthetischer Fasern, die vorwiegend für die Fertigung von Fast Fashion genutzt werden.

Fast Fashion bedeutet einen immer schnelleren Wechsel von Kollektionen und Designs: Einige Marken bringen bis zu 20 Kollektionen pro Jahr heraus. In der sogenannten Ultra-Fast-Fashion sind es noch deutlich mehr, bis hin zu teilweise täglichen Neuerscheinungen.

So wird Kleidung zur Wegwerf-Ware: Schnell produziert, wenig getragen und durch neue Stücke ersetzt.

Wir kaufen 60 Prozent mehr Kleidung als vor 15 Jahren, tragen diese aber nur noch halb so lange. Günstig produziert und verkauft werden viele Kleidungsstücke nur sieben bis acht Mal getragen und dann entsorgt. Wir geben aber kaum mehr Geld für Bekleidung aus als im Jahr 2000, die Ausgaben sind um nur etwa 0,1 Prozent bis 2016 gestiegen.

Menschen machen Kleider

Jedes Jahr werden mehr als 60 Millionen Tonnen Chemiefasern hergestellt – der Großteil davon in China. Die Herstellung von Kleidung ist nach wie vor arbeitsintensiv und erfordert viel Handarbeit. Die günstigen Preise funktionieren also nicht durch billiges Polyester alleine, sondern weil fast 75 Prozent der weltweiten Kleidungsproduktion in Ländern des Globalen Südens stattfindet. Der globale Modekonsum schafft zwar Jobs und Wachstum, hinterlässt aber auch den Großteil der ökologischen und sozialen Kosten den Produktionsländern.

So sind Beschäftigte in der Bekleidungsindustrie vielen Gesundheits- und Sicherheitsrisiken ausgesetzt, wie beispielsweise Fabrikbränden oder durch die Arbeit mit gefährlichen Chemikalien ohne Schutzkleidung. Geschätzt kommt es zu 1,4 Millionen Verletzungen im Jahr. Das gravierendste Unglück bisher war der Einsturz eines illegal aufgestockten Fabrikgebäudes am 24. April 2013 in Bangladesch. Obwohl die Belegschaft bereits am Vortag Risse im Gebäude entdeckt hatte und sich weigerte zu arbeiten, wurden alle Arbeitenden gezwungen, am nächsten Tag am Arbeitsplatz zu erscheinen. Als das Gebäude in sich zusammenbrach, starben 1.134 Menschen, über 2.000 wurden teilweise schwer verletzt.

Hinzu kommt: Die Löhne in den Herstellungsländern reichen nicht an einen existenzsichernden Lohn heran, der zur Deckung der Lebenshaltungskosten benötigt wird. Näherinnen in Bangladesch verdienen beispielsweise nur etwa 46 Euro pro Monat, das sind die niedrigsten Löhne weltweit. Der Mindestlohn in Bangladesch liegt bei 85 Euro im Monat, ein tatsächlich existenzsichernder Monatslohn bei 173 Euro – selbst mit unzähligen Überstunden, die viele Näherinnen in Kauf nehmen müssen, erreichen sie diesen nicht.

Löhne in den Herstellungsländern

Der Mindestlohn wird von der entsprechenden Regierung gesetzlich festgelegt. In manchen Ländern liegt er unter der von der Weltbank definierten Armutsgrenze von etwa 1,90 US-Dollar am Tag. Der Mindestlohn garantiert also kein menschenwürdiges Leben.

Der existenzsichernde Lohn deckt die Grundbedürfnisse Nahrung, Trinkwasser, Wohnraum, Gesundheit, Bildung, Bekleidung, Mobilität, Kinderbetreuung und Rücklagen ab.

Bei jedem Versuch, den Mindestlohn in Richtung existenzsicherndem Lohn anzuheben, besteht die Gefahr einer Abwanderung der Modeindustrie in andere Länder mit noch niedrigeren Löhnen.

Weitere Probleme sind Kinderarbeit, unbezahlte Überstunden, Gewalt und sexualisierte Gewalt, die für viele Frauen bitterer Alltag ist, sowie nicht eingehaltene Arbeitssicherheits- und Brandschutzmaßnahmen.

„Ich stehe noch vor Sonnenaufgang auf, um mich um den Haushalt zu kümmern und die Kinder zu versorgen, bevor ich mich auf den Weg zur Fabrik mache. Meistens arbeite ich bis spät abends, um ein wenig mehr zu verdienen. Besonders, seit mein Mann krank geworden ist und keine Arbeit mehr hat, ist es noch schwieriger geworden. Die Arbeit ist sehr hart und wir haben kaum Pausen. Trotzdem versuche ich, so lange wie möglich durchzuhalten, um meine Familie zu unterstützen.“

Näherin in einer Textilfabrik in Bangladesch, 27 Jahre, drei Kinder

Viele Menschenrechtsverletzungen bleiben wegen der langen und intransparenten Lieferketten verborgen. Den Unternehmen steht es frei, Subunternehmen zu engagieren. Die auftraggebende Textilmarke kann einen noch so guten Verhaltenskodex haben, in dem Mindestarbeitsbedingungen, maximale Arbeitszeiten und eine faire Bezahlung festgelegt sind: Auf eine Vielzahl von Subunternehmen haben sie kaum Einfluss. Diese Tatsache wird häufig bewusst in Kauf genommen.

Doch es geht auch anders. Vor allem mit dem vom Bundestag 2021 verabschiedeten Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (Lieferkettengesetz) gibt es nun eine Perspektive, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen ans Licht zu bringen. Das Gesetz regelt, wie Unternehmen in Deutschland dafür Sorge tragen müssen, dass in ihren Lieferketten Menschenrechte eingehalten werden.

Nachhaltigkeitstipps

Aber Verbraucherinnen und Verbraucher können schon heute einen individuellen Beitrag zum Recycling von Polyester leisten:

  • Mischgewebe vermeiden, da es sich nicht gut recyceln lässt.
  • Recyceltes Polyester spart Treibhausgasemissionen bei der Herstellung.
  • Etiketten nicht rausschneiden, das erleichtert später das Sortieren.

Schon gewusst?

  • Synthetikfasern sind biologisch nicht abbaubar, sondern zersetzen sich beim Waschen zu Mikroplastik. Über ein Drittel des Mikroplastiks in den Weltmeeren stammt von synthetischen Textilfasern. Genauer gesagt gelangt durch unsere Kleidung jedes Jahr eine halbe Million Tonnen Mikroplastik ins Meer. Das entspricht mehr als 50 Milliarden Plastikflaschen. Wir nehmen jede Woche so viel Mikroplastik zu uns wie das Volumen einer EC-Karte ausmacht.
  • Die weltweiten CO2-Emissionen für die Herstellung von Polyester sind siebenmal höher als die für Baumwolle. Im Jahr 2015 waren es 700 Millionen Tonnen CO2. Dies entspricht ungefähr dem Ausstoß von 185 Kohlekraftwerken – oder dem jährlichen Gesamtausstoß von Mexiko.