WollePotential für kleinbäuerliche Landwirtschaft und nomadische Viehwirtschaft

Wärmend, schmutz- und wasserabweisend, hitzeregulierend und geruchsresistent – Textilien aus Wolle haben viele Vorteile.

Den Grundstoff liefern Schafe bei der Schur. Aus dem flauschigen Material werden Oberbekleidung, Strümpfe, Indoor-Textilien und Teppiche hergestellt. Zudem lässt sich Wolle als schwer entflammbares Dämmmaterial verwenden. Aus der Wolle von Merinoschafen werden feinere Stoffe hergestellt, die sich unter anderem für Outdoor- oder Unterbekleidung eignen. Aber auch Tierhaare von Alpakas, Angorakaninchen, Angoraziegen (Mohair) sowie Kaschmirziegen finden Verwendung.

Schon um 2.000 vor unserer Zeitrechnung war Wolle weltweit eine der wichtigsten Naturfasern für die Herstellung von Textilien. Ab dem 13. Jahrhundert entwickelte sich eine europäische Wollindustrie, die vor allem in Spanien und England ihre Zentren hatte. Auch die feine Merinowolle aus Spanien wurde lange Zeit ausschließlich dort produziert.

Mit dem Anstieg der Wollimporte aus Überseekolonien per Dampfschiff verlor die europäische Wollindustrie ihre konkurrenzlose Position. Neue Rohstoffe wie Baumwolle und Kunstfasern reduzierten den weltweiten Bedarf für Wolle. Zudem ermöglichte die industrielle Weiterverarbeitung die Massenherstellung anderer Stoffe.

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Die Wollindustrie heute

Wolle kommt primär in der Bekleidungsindustrie, bei der Produktion von Bettwaren, Polsterungen, Teppichen und als Naturdämmstoff zum Einsatz. Weltweit hat sie einen Anteil von 1,2 Prozent am Bekleidungsmarkt. Um Preisschwankungen auszugleichen und eine höhere Reißfestigkeit zu erreichen, mischen Hersteller Wolle oft mit anderen Faserrohstoffen wie Polyester.

Bei der Weiterverarbeitung und Färbung versetzen Hersteller Naturmaterialien wie Wolle und Tierhaare oft mit umweltschädlichen Chemikalien.

Zertifizierte Alternativen für die Färbung liefern beispielsweise Farben aus Abfällen wie Orangenschalen, Kräutern und Rüben.

Der Blick in die Mongolei und nach Südamerika

Im Globalen Süden erwirtschaften nomadisch lebende Gruppen, sowie Kleinbäuerinnen und Kleinbauern mit der Produktion von tierischen Fasern ein Einkommen. In China, der Mongolei, Indien und dem Iran werden vor allem Kaschmirziegen gehalten. In Peru oder Bolivien züchten viele kleinbäuerliche Betriebe Alpakas.

Die Mongolei produziert jährlich 3.000 Tonnen grobes Kaschmir und ist damit der zweitgrößte Produzent von Kaschmirwolle nach China. Chinas Produktion wird auf 10.000 Tonnen geschätzt. Das Kaschmirhaar der mongolischen Ziege stellt somit ein Fünftel der weltweiten Gesamtproduktion dar. Die Nachfrage nach Kaschmirwolle ist weltweit hoch. Kaschmirziegen können nur im Hochgebirge gezüchtet werden, wo sie im Herbst und Winter großer Kälte ausgesetzt sind. Als Wärmeschutz setzen sie daher den sehr weichen und wertvollen Flaum an. Mit den steigenden Temperaturen im Frühjahr kann die Schur dann stattfinden. Da echte Kaschmirwolle ausschließlich aus dem Unterfell von Kaschmirziegen gewonnen wird, ist sie sehr teuer.

Aufgrund der Bodenbeschaffenheit und des Klimas in der Mongolei ist die nomadische Viehwirtschaft eine der bedeutendsten Wirtschaftszweige und gibt vielen Menschen eine gute Perspektive. Allerdings leidet die Umwelt sehr unter den Ziegen, denn jeden Tag fressen sie bis zu zehn Prozent ihres Gewichts an Gräsern und Kräutern. Da sie beim Fressen die Wurzeln mit aus der Erde ziehen, können die Pflanzen nicht nachwachsen. Zwischen 1990 und 2010 hat sich zudem die Zahl der Ziegen vervierfacht, so dass es zu massiven Überweidungsproblemen und einer starken Verwüstung ehemaligen Weidelands kommt.

Mittlerweile kämpfen viele Kleinbäuerinnen und Kleinbauern zudem vielerorts gegen Regierungen und Agrarkonzerne, da Privatinvestoren das wertvolle Weideland kaufen wollen.

Je höher die Nachfrage, desto mehr Tiere, Weideland und Futtermittel braucht die Industrie. Überweidung macht Böden unfruchtbar, Insekten finden keinen naturbelassenen Unterschlupf mehr.

Seit Jahrtausenden werden Alpakas von der indigenen Bevölkerung Perus gezüchtet. In Peru leben mit rund 3,5 Millionen Alpakas nach wie vor 80 Prozent des Bestands weltweit. Die Tierhaltung bedeutet für die peruanischen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern nicht nur das Praktizieren und Weitergeben von Tradition und Handwerkskunst, sondern stellt auch die einzige Einnahmequelle für sie dar.

Wir haben uns vorgenommen, für unsere Grundbedürfnisse selbst zu sorgen: Arbeit, Wohnung, Gesundheit und Erziehung. Um Pullover aus Alpakawolle herzustellen, brauchen wir nur unsere Hände und in diesen Händen halten wir unser Schicksal. Wir sind uns bewusst, dass wir – und nur wir – die Protagonisten unserer Probleme und Tragödien, unserer Träume und Errungenschaften sind. Ein Mitarbeiter von AMAUTA, Hersteller von Alpakabekleidung.

Wollprodukte kaufen – gewusst wie!

Regelmäßige Kontrollen der Tierhaltung, Umweltschutzmaßnahmen und Arbeitsbedingungen ermöglichen die Herstellung zertifizierter Wolle. Folgende Siegel garantieren den ökologischen Landbau und Nachhaltigkeit aller Schritte in der Kleidungsproduktion, vom Stall bis zum Verkauf:

  • kontrolliert biologische Tierhaltung (kbT)
  • der IVN Best vom Internationalen Verband für Naturtextilien
  • Global Organic Textile Standards (GOTS)

Doch Zertifizierungen kosten Geld. Ideen wie Bio-Sammelzertifizierungen für kleinbäuerliche Genossenschaften könnten für die Produzierenden Abhilfe schaffen, wie Heike Hess vom Internationalen Verband für Naturtextilwirtschaft erklärt. Eine gute Recherche vor dem Einkauf hilft zudem, fair und nachhaltig produzierte Wollprodukte zu finden.

Schon gewusst?

  • Durchschnittlich liefert ein Schaf insgesamt 3,5 Kilogramm Wolle – dreimal so viel wie noch vor einigen Jahrhunderten. Mit der Wolle eines Schafes können durchschnittlich mehr als 10 Pullover produziert werden. Eine Kaschmirziege liefert pro Jahr nur ungefähr 150 bis 200 Gramm Flaumhaar. Für die Herstellung eines Pullovers aus reinem Kaschmir wird der jährliche Ertrag von zwei bis fünf Tieren benötigt.
  • Merinoschafe sind heute so gezüchtet, dass sie möglichst viele Hautfalten besitzen, um eine große Menge an Wolle liefern zu können. In den Hautfalten sammeln sich jedoch Feuchtigkeit und Fäkalien, in die eine bestimmte Fliegenart ihre Eier ablegt. Die Larven ernähren sich vom Fleisch des lebendigen Schafes. Die Methode des Mulesings soll das vermeiden: Dabei werden den Lämmern häufig ohne Narkose der Schwanz sowie umliegende Hautbereiche großzügig abgeschnitten. Auf der dann glatten vernarbten Fläche legen die Fliegen ihre Eier nicht ab. Trotz Protesten von Tierschutzinitiativen wird das Mulesing in Australien weiterhin durchgeführt.
  • Eine Alternative zu den Großstrukturen in Australien kann kleinbäuerliche Wollerzeugung in verschiedenen Ländern des globalen Südens sein: die traditionelle Viehhaltung kann zur Wahrung des Tierwohls beitragen, zudem ermöglicht sie den Kleinbäuerinnen und Kleinbauern ein Einkommen.
  • Schafe produzieren wie Kühe bei der Verdauung Methan. Die weltweit circa 1,1 Milliarden Schafe stoßen insgesamt rund 6,56 Megatonnen des schädlichen Treibhausgases aus. In Neuseeland verursacht die Schafhaltung circa ein Drittel aller Treibhausgase, weshalb die Forschung klimafreundliche Möglichkeiten der Zucht untersucht. Studien gehen davon aus, dass unterschiedliche Futtermittel die Treibhausgasproduktion verringern können.