ZukunftsmaterialienWas kleidet uns in Zukunft?

Orangenschalen, Pilz-Leder, Fischernetze. Da der große ökologische Fußabdruck der Modeindustrie in der Kritik steht, entwickeln Expertinnen und Experten alternative Textilien. Spannend sind unter anderem Materialien aus Abfallprodukten und solche, die unter minimalem Energie- und Ressourceneinsatz produziert werden können.

Lebensmittelreste machen Kleidung

Lebensmittelabfälle wie Bananen- oder Orangenschalen, Kaffeesatz und sogar Milchreste können als Rohstoffe der Textilproduktion dienen. Diese innovativen Materialien sind oft biologisch abbaubar und lassen sich leicht recyceln, wiederaufbereiten und neugestalten. Das setzt voraus, dass im Herstellungsprozess keine oder kaum kritische Substanzen verwendet werden. Viele der Materialien – wie etwa Orangenschalen – weisen Wasser ab. Diese Eigenschaft ist für Outdoor-Kleidung relevant, weshalb die Zitrusfrucht eine gute Alternative zur umweltschädlichen Beschichtung vieler Kleidungsstücke darstellen kann.

Wer sich also beim nächsten frisch gepressten Orangensaft fragt, was die Schale so alles draufhat: Schalen aus der Saftindustrie Italiens, die nach dem Pressvorgang auf der Müllhalde landen würden, werden zu einem seidigen Zellulose-Garn gesponnen.

In der Weinindustrie wiederum entstehen nach dem Pressen wertvolle Abfälle wie Traubenhäute, Stiele und Kerne. Sie enthalten Öle und Zellulose, die sich zu lederähnlichem Biokunststoff verarbeiten lassen.

Auch im Globalen Süden, genauer gesagt auf den Philippinen, landen Ananasblätter nach der Fruchternte nicht im Müll, sondern dienen als Rohstoff für einen vliesähnlichen Stoff. Da bei der Faserproduktion aber noch Polyester hinzukommt, ist das Mischmaterial bisher nicht recycelbar.

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Vom Pilz-Leder und Spinnenseide – nachhaltige Textilien aus dem Labor

Neben anderen Naturprodukten wie Algen und Kork zählen Myzelien zu den vielversprechenden Materialien. Die faserartigen Bestandteile bestimmter Pilze wachsen innerhalb weniger Tage unter Zugabe von Abfällen und benötigen kaum Ressourcen. Eine von Myzelien besiedelte Fläche sieht aus wie eine dicke, meterlange Matratze auf einer Platte. Nach der Wachstumsphase wird das Material in die gewünschte Form gepresst, getrocknet und haltbar gemacht. Das Endprodukt ist biegsam, wasserabweisend, robust, antimikrobiell und atmungsaktiv.

Die Herausforderung ist nun, dass die Materialien der Zukunft industriell zum Einsatz kommen. Das heißt: Produktionsstandorte müssen entstehen, Arbeitskräfte brauchen Schulungen und Modelabels müssen von den Innovationen erfahren. Da Myzelien auch für andere Produkte wie vegane Eiweiß-Ersatzstoffe oder sogar Särge nutzbar sind, sind die Chancen für die Entwicklung neuer massentauglicher Textilprodukte gut.

Seide aus Spinnenfäden, also Spinnenseide, ist ein wichtiger Stoff der Zukunft. Die Faser zeichnet sich unter anderem durch ihre Reißfestigkeit aus. Die wundersamen Fäden sind acht bis zehnmal feiner als das menschliche Haar und wiegen quasi nichts. Sie vereinen Stabilität und Elastizität – kein anderer Rohstoff kann da mithalten. Außerdem wirken die Fasern antibakteriell und sind biologisch abbaubar. Sie können nicht nur in der Bekleidung zum Einsatz kommen, sondern auch in Raumfahrttechnik, Medizintechnik und in der Automobilbranche.

Spinnenseide findet in der Modewelt aber bislang kaum Verwendung, da ihre Herstellung noch sehr teuer ist.

Bademode aus Fischernetzen – das Ende der Einbahnstraße?

Der Lebenszyklus eines Kleidungsstücks läuft weitgehend als Einbahnstraße: Am Anfang steht die Rohstoffgewinnung, dann folgt die Herstellung von Faser und Textil, die Verwendung und schließlich die Entsorgung. Das geht aber auch anders: Eine Quelle für wiederverwertbare Rohstoffe ist unser Meer. Dort geistern verlorene Fischernetze, PET-Flaschen und andere Abfälle im Wasser umher und sondern schädliches Mikroplastik ins Ökosystem ab. In Fischernetzen, die 50 Prozent des Meeresplastiks ausmachen, verfangen sich zudem maritime Tiere.

Gerade Menschen aus dem Globalen Süden leiden unter der Vermüllung. Wo keine funktionierenden Entsorgungssysteme greifen, verrottet angespülter Plastikabfall an den Ufern, wobei ebenfalls Mikropartikel in die Umwelt gelangen.

Illegale Fischerei-Boote in den Ländern Südamerikas, Afrikas und Asiens verursachen teilweise das Plastikproblem. Auf der Flucht vor der Polizei lassen sie ihre Fischernetze oft im Meer zurück. Sogenannte „Fishing-For-Litter-Initiativen“ (Initiativen, die Müll aus dem Meer fischen) stellen eine alternative Einnahmequelle dar. Sie rüsten Boote um und rufen dazu auf, nach Meeresplastik für die Wiederverwertung zu fischen.

Andere Firmen und Initiativen sammeln „Ocean Plastic“ (Meeresplastik), um es weiter zu verwerten. Ein Garn kann daraus nur in einem aufwendigen, energieintensiven Recyclingprozess entstehen. Daher bestehen die meisten Kleidungsstücke aus Recyclingmaterial nur zu einem geringen Anteil aus Meeresplastik.

Mehr Kreisläufe, langlebige Produkte, neue Recyclingprozesse

Nur eine grundlegende Umstrukturierung kann Mode nachhaltig machen. Materialinnovationen haben in der Regel Vor- und Nachteile, denn ihr Lebenszyklus beruht weiterhin auf dem Einsatz von Ressourcen, sowie Energie, Chemikalien, Arbeitskraft und der Entsorgung.

Vor allem kreislauffähige Materialien sind zukunftsträchtig. Je weniger Chemie, Farben und Applikationen ein Kleidungsstück enthält, desto einfacher lassen sich daraus nach Nutzungsende neue Produkte herstellen. Baumwollfasern sind jedoch nicht unendlich oft recycelbar. Mit jedem Recyclingprozess nimmt die Qualität der Fasern ab, sie verlieren an Elastizität und an Faserlänge. Um wieder auf ein vernünftiges Qualitätsniveau zu kommen, geben Hersteller „Frischfasern“ dazu. In Textilien aus recyceltem Kunststoff stecken so gut wie nie wiederverwertete Kleidungsstücke, sondern meist alte PET-Flaschen. Wenn die Modewelt hieraus ein Garn herstellt, fehlt das Material jedoch im Flaschen-Kreislauf (Recycling von Flasche zu Flasche).

Es führt kein Weg daran vorbei – eine wirkliche Lösung des Problems bedarf einer Reduzierung von Verbrauch und Verschwendung von Kleidung.

Mode spielt dabei eine ganz wichtige Vermittlungsrolle: Sie kann zeigen, dass Upcycling cool, langlebige Produkte attraktiv und das Tragen von natürlichen Fasern angenehm und trendy ist. Kleidung ist nicht nur durch ihren Nutzen bestimmt, sondern auch Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, des Stils, der Werte. Dies sind alles veränderbare Größen, wenn wir das wollen. Zukunft ist heute – jetzt.

Schon gewusst?

  • Die globale Textilindustrie befeuert den Klimawandel mit jährlich über 850 Millionen Tonnen CO2. Das muss nicht sein: Mithilfe von Katalysatoren und bei relativ geringem Energieaufwand kann Kohlenstoffdioxid – beispielsweise aus Fabrikabgasen – zu einem Material werden, das als Beschichtung von Outdoor- oder wasserfester Kleidung dient.
  • Seit 2020 führt das novellierte Kreislaufwirtschaftsgesetz dazu, dass der Handel für die „Gebrauchstauglichkeit von Erzeugnissen“ sorgen muss. Das Gesetz verordnet die Dokumentation über den Verbleib retournierter Ware und soll so verhindern, dass sie ungeprüft vernichtet wird. Ab 2025 gilt eine Getrenntsammlungspflicht für Textilien. Unternehmen müssen demnach Produkte so herstellen, dass sie sich in Stoffkreisläufe zurückführen lassen.
  • Altkleidercontainer helfen nicht immer. Einerseits ist es sinnvoll, alte Kleider nicht im Restmüll zu entsorgen, der verbrannt wird. Andererseits verkaufen viele Altkleider-Sammelorganisationen die Kleidung in Länder des Globalen Südens, wo sie mit dem Markt vor Ort konkurrieren. Hinzu kommt: Nur circa 50 Prozent der gespendeten Textilien eignen sich für den Secondhand-Gebrauch. Container des Vereins „FairWertung“ unterstützen direkt oder indirekte soziale Zwecke.